Reportagen – ein Magazin mit Haltung

 

100 Prozent Journalismus – eine Antwort

Die Ausgabe #38 des Schweizer Magazins „Reportagen“ punktet bei mir mit seiner glasklaren Haltung zur Vermischung von werblichen und journalistischen Inhalten. Auch die namensgebenden Reportagen und die Aufmachung des 6 Mal im Jahr erscheinenden Blattes sind etwas Besonderes. [von Florian Wagner]

Persönlich bin ich kein Freund des Absoluten, des „schwarz oder weiß“, des „für uns oder gegen uns“. Obendrein ist mein Geschäft genau das von „Reportagen“ kritisierte Content Marketing. Auch wenn ich mit diesem Text Gefahr laufe, dass die Redaktion meine Zustimmung als Applaus von der falschen Seite wahrnimmt: Ich schließe mich im Kern der Botschaft des Editorials von Daniel Puntas Bernet an. Eine für den Leser nicht ersichtliche Vermischung von unabhängigem Journalismus mit Interessen-getriebenem Marketing im journalistischen Gewand ist unlauter.

„Wie konnte es nur so weit kommen, dass gegenseitiges Geschichtenerzählen […] derart auf den Hund gekommen ist. […] In einer fragmentierten Medienwelt vermischt sich Werbebotschaft mit Journalismus, Absender mit Medium, Unterhaltung und Kommerz mit Information.“ Daniel Puntas Bernet, Chefredaktor Reportagen


Editorial mit Wirkung

Selten, dass mich ein Vorwort in einem Magazin so bewegt, weil mich der Verfasser gefühlt direkt anspricht. Ich empfinde die bewusste Verschleierung, das Verbergen von kommerziellen Inhalten in einem Umfeld, das sich dem Leser gegenüber als ideologisch unabhängig ausgibt, als leichtsinnigen Irrweg meiner Branche. Nicht allein die Glaubwürdigkeit des Journalismus nimmt Schaden, nein auch das Marketing setzt sich dem berechtigten Vorwurf aus, den Leser für dumm zu verkaufen.

„Wir lieben Geschichten […]. Dass dieses wertvolle Gut nicht kontaminiert wird, verdanken wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Denn Reportagen ist zu 80% leserfinanziert. […] Und Ihnen, liebe Inserenten, sind wir dankbar, dass Sie auf den klassischen Anzeigenteil unseres Magazins setzen." Daniel Puntas Bernet, Chefredaktor Reportagen

Transparenz, Qualität und Relevanz

Im Gespräch mit Kunden plädiere ich konsequent für Transparenz und Qualität. Redaktionell aufgemachte Unternehmens- und Markeninhalte haben ihre Berechtigung, wenn der Absender klar ersichtlich ist. Außerdem geht es um handwerklich einwandfreie Inhalte und Informationen die für die Leser echten Mehrwert bedeuten, sich also an deren Bedürfnissen orientieren. Alles andere ist ein Verrat am Vertrauen des Lesers, auch wenn es sich mit schicken Euphemismen wie „Native Advertising“ tarnt.

Am liebsten ist es mir, wenn solche Contents die Adressaten über die Kanäle des absendenden Unternehmens erreichen. Sei es in Form von Beiträgen auf der Webseite, als Format in den sozialen Medien, als Newsletter oder gerne auch als hochwertig produziertes Kunden- oder Mitarbeitermagazin.

Dünnes Eis

Es gibt viele namhafte Magazine, die andere, weniger absolute Wege im Umgang mit neuen Formen des Marketing beschreiten, als das „Reportagen“ tut. Zunehmend betätigen sich sogar die Verlage selbst als Dienstleister für Content Marketing und verwandte Werbeformen, wie beispielsweise der Süddeutsche Verlag mit dem Content-Marketing-Ableger SZ Scala. Das halte ich nicht für grundsätzlich verwerflich. Birgt aber dennoch die Gefahr, sich den Vorwurf einzuhandeln, Schleichwerbung zu fördern. Deshalb sollte für den Einsatz solcher Werbeformen ein ernst gemeintes Regelwerk greifen, das dem Leser offen und leicht zugänglich kommuniziert wird. Seriöse Medien und Verlage verfügen normalerweise über solche „Spielregeln“ für redaktionsfremde Inhalte. Entsprechende Beiträge werden deutlich gekennzeichnet. „Der Spiegel“ bietet sogar eine Seite an, die alle zugelassenen Werbeformen erklärt. Allerdings hat es mir schon etwas Beharrlichkeit abverlangt, diese Seite zu finden. Ein gewisses Risiko ist letztlich nicht wegzudiskutieren.

Fazit

Vor diesem Hintergrund ist es schön zu sehen, dass ein Konzept mit klarer Kante, wie das der 2011 erstmals herausgegebenen „Reportagen“, wirtschaftlich zu funktionieren scheint. Bei dieser Qualität – redaktionell und grafisch – ist das Magazin eine Bereicherung für den deutschsprachigen Zeitschriftenmarkt und ein Fest für anspruchsvolle Leser. Wir leben in komplizierten, erklärungsbedürftigen Zeiten. Wir brauchen glaubwürdigen, handwerklich sauberen Journalismus, der uns diese verrückte Welt verlässlich und ohne verdeckte Verkaufsabsicht näher bringt.

Ausblick

Während Reportagen das traditionelle Genossenschafts-Modell für seine Publikation adaptiert, entwickelt sich parallel mit der sogenannten Blockchain ein neuartiges Konzept für mehr Transparenz in den Medien. Diese Internet-Technologie ist einer breiteren Öffentlichkeit durch die Kryptowährung Bitcoin bekannt. Start-ups wie Civil* nehmen sich viel vor: Sie wollen nicht weniger, als den Journalismus mit Hilfe der Blockchain neu erfinden. Und auch eine wachsende Zahl renommierter Verlage zeigt sich offen und beginnt, diese Entwicklung mitzugestalten. Die Süddeutsche Zeitung hat dazu den lesenswerten Beitrag „Karteizeichen“ veröffentlicht.

*Update: 2020 gab Matthew Iles, Civil CEO, das Ende von Civil bekannt. Das Team und die Technologie von Civil wechseln zu ConsenSys, um Lösungen mit Ethereum zu entwickeln.


Infos zu Reportagen:

Puntas Reportagen AG
Zumikerstrasse 16a, 8702 Zollikon

Redaktion:
Reportagen
Käfiggässchen 10, 3011 Bern
redaktion@reportagen.com

Der in Bern ansässige Verlag bietet eine spannende Website mit vielen Informationen zu Aktivitäten rund ums Magazin und darüber hinaus. Erwähnenswert ist auch das sehr differenzierte Abonnement-Angebot.
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