„I-Photo“ im Salzburger Rupertinum

 

„I-Photo“ ist die fotografische Interpretation der Ich-Erzählung. 

Die Ausstellung zeigt das aufstrebende Japan der 1960/70er Jahre durch den subjektiven Blick von Fotografen, die sich und ihre Umgebung neu entdecken. [von Susanne Wagner]

Auf mich übt japanische Fotografie einen besonderen Zauber aus, selbst wenn ich sie oft nicht verstehe. Vielleicht gerade deshalb. Japan liegt weit entfernt von uns und unserer Kultur. In den 1960 und 1970er Jahren war uns Japan noch fremder, doch die Fotografen brachten das wirtschaftlich aufstrebende Land in die Welt.


Ein japanischer Schatz im Museumsarchiv

Das Museum der Moderne Salzburg zeigt seine umfangreiche und hochwertige Sammlung zum ersten Mal nach langer Zeit. Mit rund 600 Originalabzügen, die in den Anfangsjahren des Museums erworben wurden, sind zwei Ausstellungen geplant. Der Auftakt ist dem Bild des Menschen und der Wahrnehmung des gesellschaftlichen Wandels im Nachkriegs-Japan gewidmet. Der Besucher wird durch die Ausstellung mit guten Einleitungstexten und aussagekräftigen Beschriftungen begleitet. Es gibt ausführliche Hintergrundinformationen zu den Fotografen, die teilweise sonst nicht so leicht zu finden sind.

Sabine Breitwieser, Direktorin des Museum der Moderne Salzburg, erzählt: 

„Diese Ausstellung ist ein Ergebnis der von mir forcierten Aufarbeitung unserer Sammlungen. […] Dabei richten wir unseren Blick auch auf die Geschichte des Museums, an dem bereits früh begonnen wurde, Fotografie auszustellen sowie zu sammeln und zu bewahren. Otto Breicha, erster Direktor des Museums, reiste dazu unter anderem auch nach Japan, wo er viele der Künstler persönlich traf, um Werke für eine Ausstellung auszuwählen.“

Weltberühmte japanische Fotografie

Die fotografische Qualität – nicht nur im Sinne der Technik – ist erfrischend. In den meist kontrastreichen Schwarzweiß-Fotografien ringen Licht und Schatten um die Vorherrschaft. Eine gewisse Melancholie, Gleichmut und Vergänglichkeit schwingen in den Motiven mit, ruhiges Beobachten. Manche Fotografien zeigen traditionelle Gesellschaftsausschnitte wie Frauen in Kimonos oder Leute mit Reisstrohhüten. Andere gleichen moderner Street Photography und präsentieren uns zum Beispiel westlich gekleidete Menschen ohne Köpfe. Einige Motive tauchen tief in die Privatsphäre der Fotografen ein.

Die ausgewählten Künstler sind heute in der Fotoszene keine Unbekannten. Nobuyoshi Araki studiert seine Frau Yoko durch die Linse und offenbart sehr persönliche Momente. Aber Araki will auch in seinem Umfeld etwas bewirken. Bereits 1970 begann Araki mit einer künstlerischen Offensive gegen die Täuschung und Unehrlichkeit in der damals in Japan populären Fotografie. Araki wollte das wahre Gesicht der Gesellschaft zeigen. In Fotoexperimenten und zahlreichen Buchprojekten verfolgt er das bis heute.

Das zweite weltweit bekannte Schwergewicht und der zeitgenössisch wichtigste Fotograf Japans dürfte Daidō Moriyama sein. Er war Gruppenmitglied der Herausgeber des einflussreichen Magazin „Provoke“. Von 1968 bis 1969 erschienen drei Ausgaben. Das Magazin ist bei uns kaum bekannt, hat aber noch heute große Bedeutung für die japanische Fotografie. Das Provoke-Manifest erklärt, dass die Fotografie festhalten könne, was nicht mehr in Worten auszudrücken sei. Der visuelle Stil der Fotografien sollte „are-bure-boke“ sein, was übersetzt so viel heißt wie „körnig, grob und unscharf“. Moriyama arbeitet auch heute noch mit diesen Stilmitteln.

Außerdem werden in der Ausstellung „I-Photo“ Werke von Masahisa Fukase, Takashi Hanabusa, Bishin Jumonji, Masaaki Nakagawa, Shunji Ōkura, Issei Suda, Akihide Tamura, Yoshihiro Tatsuki und Shin Yanagisawa gezeigt.

Meine Lieblingsbilder in „I-Photo“

Es fällt mir schwer, zu sagen, welche Bilder mir am besten gefallen haben. Besonders angesprochen – an diesem einen Tag – haben mich die geheimnisvollen Frauen von Yoshihiro Tatsuki und der surreale Blick von Masaaki Nakagawa.

Yoshihiro Tatsuki (geboren 1937 in Tokushima) wuchs quasi in die Fotografie hinein. Die Familie betrieb ein etabliertes Porträtstudio. 1958 schloss Tatsuki in Tokyo das Studium der Fotografie ab. Er beschäftigt sich vorrangig mit Aktfotografie und vermischt traditionelle Muster mit westlichen Modellen.

Masaaki Nakagawa (gestorben 2005) schloss 1966 in Kōbe das Studium der Japanischen Literatur ab. In die Berufsfotografie stieg er über Modeaufnahmen und Fotoreportagen ein. Für seine Arbeit „Photo from the neighborhood“ bekam Nakagawa 1982 den Japan Photographers Association New Recipe Award. Auf den ersten Blick fühlte ich mich beim Betrachten der Serie „Selfportrait Against Wall of My Home“ von 1975 an die Bildsprache des amerikanischen, lange in Südafrika lebenden, Fotografen Roger Ballen erinnert. Ein flüchtiger Moment, unscharf eingefangen, poetisch.


Ausstellung: I Photo. Japanische Fotografie 1960 – 1970 aus der Sammlung

Museum der Moderne Salzburg
Rupertinum
Wiener-Philharmoniker-Gasse 9
5020 Salzburg, Österreich

Direktorin: Sabine Breitwieser
Kuratoren: Christiane Kuhlmann, Kuratorin Fotografie und Medienkunst;
mit Andrea Lehner-Hagwood, Kuratorische Assistentin, Museum der Moderne Salzburg

21. April – 8. Juli 2018
www.museumdermoderne.at

 

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