Willy Fleckhaus – Design, Revolte, Regenbogen

 

Willy Fleckhaus im Museum für Angewandte Kunst Köln

Die sehenswerte Ausstellung zeigt Magazine, Fotografien, Illustrationen, Bücher, Buchreihen und Plakate aus dem Schaffen dieses außergewöhnlichen Gestalters. [von Florian Wagner]


Die Ausstellung „Willy Fleckhaus – Design, Revolte, Regenbogen“ ist klein, der Eindruck, den sie bei mir hinterlassen hat, ist dafür umso größer. Ich habe in den 90er Jahren Grafik-Design studiert und Willy Fleckhaus war einer meiner ersten großen Helden, ein prägendes Vorbild. Ein selbstbewusster Gestalter, der nicht einfach visualisierte, was andere ihm vorgaben. Er verstand sich als umfassender Kreativer mit dem Ziel, Text, Bild und Layout zu einer wirkungsmächtigen Einheit zu formen. Mit diesem imponierenden Selbstverständnis wurde er zum ersten wirklichen Art Director in Deutschland.

Willy Fleckhaus setzt immer noch Maßstäbe

Willy Fleckhaus, der bereits 1983 verstarb, gelang es, den Zeitgeist der sechziger, siebziger und achtziger Jahre nicht nur gekonnt zu verpacken. Er hat diese bewegten Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg hinterfragt, zerlegt, mit seinem gestalterischen Vokabular zum Leben erweckt und beeinflusst. Außer seinem süddeutschem Pendant Otl Aicher gibt es wohl keinen, der das grafische Gesicht der alten Bundesrepublik so stark geprägt hat wie Willy Fleckhaus.

Konrad Hermann Joseph Adenauer war von 1949 bis 1963 der erste Bundeskanzler der BRD. Dazu brachte Quick in der Nr. 15, 1963 ein Interview, Fotografie: Will McBride. ©Foto: Hans Döring

Das Ästhetikverständnis des Ausnahmegestalters war zu seiner Zeit revolutionär und beeinflusst die visuelle Kommunikation und unsere Sehgewohnheiten bis heute. Ich finde das zeigen die in der Ausstellung präsentierten Layouts des ersten deutschen Lifestylemagazins „twen“, des Magazins der FAZ oder die Buchgestaltungen für den Suhrkamp Verlag sehr deutlich.

„Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele Leute ungeheuer stark in Theorien sind. Wenn man dann aber dahinterguckt, was diese Leute produzieren, dann sieht man plötzlich, wie dünn es wird, wenn sie kreativ werden müssen. Da sind mir dann die Leute viel lieber, die sagen: Theorie hin, Theorie her, ich mache einfach etwas.“  Willy Fleckhaus

Mich beeindruckt besonders die fesselnde Dramaturgie, die Willy Fleckhaus den jeweiligen Magazinstrecken verpasst hat. Seine Layouts funktionieren wie Filme. Der Gestalter wird zum Geschichtenerzähler, der den Blick der Leser mit einer geschickten Flächenaufteilung, einem spannenden Wechsel der Perspektiven, der Größenverhältnisse und Farben über die Seiten führt.

Titelgestaltungen von Willy Fleckhaus. Links: Aufwärts, Nr. 12, 1956, Fotografie: Horst H. Baumann. Mitte: twen, Nr. 6, 1969, Fotografie: Guido Mangold. Rechts: Frankfurter Allgemeine Magazin, Nr. 110, 1982, Fotografie: Pete Dine. ©Fotos: Hans Döring

Willy Fleckhaus kleidet die Bibliothek Suhrkamp völlig neu ein. Das bunte Gestaltungskonzept der Regenbogen-Reihe besteht in annähernd unverändertem Look bis heute. Links: edition suhrkamp, Suhrkamp Verlag, Reihenentwurf 1963. Rechts: Suhrkamp Taschenbuch, Suhrkamp Verlag, Reihenentwurf 1973. ©Fotos: Carsten Wolff, FINE GERMAN DESIGN, Frankfurt am Main


Willy Fleckhaus und die Fotografie

Inspiriert vom kraftvollen amerikanischen Editorial-Design war Willy Fleckhaus immer auf der Suche nach der zündenden, kreativen Idee, der er dann vertraute und sie im Geist der Schweizer Designtradition, minimalistisch und der Funktion verpflichtet, in Szene setzte. Ein solcher Minimalismus ist immer radikal, denn die Reduzierung auf das Wesentliche verlangt Entschiedenheit im Ausdruck. Das bekamen auch die von Fleckhaus favorisierten jungen Fotografen zu spüren. Das Einzelbild war für den Art Director von untergeordneter Bedeutung. Hatte das gewählte Bild nicht die geforderten Qualitäten, um im Sinne des Gesamtkonzepts zu funktionieren, wurde gekontert, beschnitten oder collagiert.

twen, Nr. 7, 1962, Fotografie: Horst H. Baumann, Text: Juliette Gréco, Grafik: Willy Fleckhaus, ©Foto: Hans Döring

Ein besonderes Markenzeichen waren dabei formatfüllende, angeschnittene Bilder, die den Betrachter zwangen fehlende Teile im Geist zu ergänzen. Dieses Stilmittel sorgt für große visuelle Kraft und Spannung. Die Kölner Schau zeigt das sehr anschaulich durch die Gegenüberstellung der ursprünglichen Fotografien und deren letztendlichen Einsatz im Layout. Für manche Fotografen mag das inakzeptabel sein. Aus Sicht des Gestalters war dieses Vorgehen nur konsequent. Schließlich ging es letztlich immer um eine gelungene visuelle Kommunikation und das Bild war dabei zwar ein wichtiger, aber doch nur ein Teil des großen Ganzen.

Uschi Obermeier, das schöne Mädchen der Kommune. twen, Nr. 6, 1969, Fotografie: Guido Mangold, Text: Julia Müller. ©Foto: Carsten Wolff, FINE GERMAN DESIGN, Frankfurt am Main

Willy Fleckhaus wusste um die suggestive Kraft von Bildern und hat junge Fotografen beauftragt und gefördert. Mit seinen Gestaltungen gab er den Fotografen und ihren Aufnahmen eine vielbeachtete Bühne. Große Fotostrecken und das Inszenieren einzelner Motive gehörten dabei zum bewährten Repertoire des Gestalters. Viele der von Willy Fleckhaus bevorzugten und nicht selten im Rahmen der Photokina in Köln entdeckten Fotografen sind später international bekannt geworden, beispielsweise Horst H. Baumann, Roger Fritz, Ulrich Mack, Guido Mangold, Charlotte March, Will McBride oder Christa Peters.

Fazit

Die Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst Köln ist eine schöne Ehrung dieses großen Gestalters, der heute leider fast vergessen ist, dessen Ideen aber bis heute nachwirken. Die Schau wurde hervorragend inszeniert und ist mit zahlreichen Exponaten gespickt, die größtenteils aus der Privatsammlung des Kurators Hans-Michael Koetzle stammen. Die in der Ausstellung gezeigten Fotografien sind eine aufschlussreiche Ergänzung der gezeigten Publikationen und vermitteln nebenbei einen lebendigen Eindruck vom gesellschaftlichen Wandel der sechziger bis achtziger Jahre.


willy-fleckhaus-portrait - Will McBride Estate

Willy Fleckhaus, um 1964, ©Will McBride Estate

Ausstellung: Willy Fleckhaus – Design, Revolte, Regenbogen

Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK)
Kurator: Hans-Michael Koetzle
Gesamtleitung: Petra Hesse
26. August bis 11. Dezember 2016
www.makk.de

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Kurator: Hans-Michael Koetzle
20. Januar bis 7. Mai 2017
www.mkg-hamburg.de

Links zum Thema

Ausstellung im MAKK
Zur Person Willy Fleckhaus
Die Zeitschrift twen


Katalog zur Ausstellung

Fleckhaus – Design, Revolte, Regenbogen
Autoren: Hans-Michael Koetzle, Carsten Wolff
Herausgeber/Editors: Michael Buhrs, Petra Hesse; Museum für Angewandte Kunst Köln
240 Seiten, gebd., Deutsch/Englisch
29,90 Euro
ISBN 978-3-9811342-4-7
Zu erwerben im Museumsshop während der Ausstellungslaufzeit.
Mehr dazu im Fine German Design Shop.

Buchtipps

Sammlerstück: Fleckhaus. Deutschlands erster Art Director
von Hans-Michael Koetzle und Carsten M. Wolff
bei Amazon 

Der Raster. Der Rasterbogen von Willy Fleckhaus, Deutschlands legendärem ersten Art Director. Update 2023: Das Buch gab es bei Fine German Design Shop, scheint aber inzwischen vergriffen zu sein.


Die Villa Stuck in München präsentiert Willy Fleckhaus

Dritte Auflage: Nach Köln und Hamburg ist in München mit „Willy Fleckhaus – Design, Revolte, Regenbogen“ eine neue Ausstellung mit eigenem Flair entstanden. Es werden mehr Exponate aus dem Schaffen dieses außergewöhnlichen Gestalters und zusätzlich ein eigens produzierter Film mit Interviews gezeigt.

Die Fotos entstanden zur Ausstellungseröffnung am 31. Mai 2017 in der Villa Stuck, München.


Das Mehr in der Villa Stuck

Im historischen Künstlerhaus Villa Stuck in der Prinzregentenstraße erhält die Ausstellung einen großzügigen und stilvollen Rahmen. Es gibt mehr Räume und Fläche, luftigere Arrangements und viel Platz für die Schaukästen mit den Magazinen und Fotografien. Für die Münchner Station hat der Kurator Hans-Michael Koetzle weitere Fotografien und Magazine organisiert. So zeigen Bilder von Michael Friedel (geb. 1935, Berlin) den Wortkünstler und Musiker Georg Kreisler (geb. 1922, Wien), der 1961 auf dem Münchner Königsplatz Klavier spielt.

Passend dazu wird die Geschichte zu den Aufnahmen im – extra für die Ausstellung angefertigten – Film von Michael Friedel erzählt. Georg Kreisler und sein Klavier wurden später in der twen freigestellt und vom Königsplatz war nichts mehr zu sehen. In ca. 35 Minuten kommen Zeitgenossen von Willy Fleckhaus zu Wort, die in lockeren Interviews von beruflichen wie privaten Erlebnissen berichten. Der Person Willy Fleckhaus kommt man damit in der Münchner Ausstellung deutlich näher. Im Film sind zu sehen: Michael Friedel (Fotograf), Guido Mangold (Fotograf), Prof. Uwe Göbel (Student bei Willy Fleckhaus), Roger Fritz (Filmemacher und Fotograf).

Michael Friedel: Der Wiener Chansonnier Georg Kreisler auf dem Münchner Königsplatz, 1961. Veröffentlicht in twen Nr. 1, 1962. Sammlung Hans-Michael Koetzle.

Michael Friedel erzählt im Film über seine Begegnungen mit Willy Fleckhaus. Villa Stuck, München, 31. Mai 2017.

Layouts an der Wand

In dieser dritten Ausstellung kann man sich wunderbar mit Details beschäftigen. Mir gefällt auch, wie die Magazine im Video von Hand durchgeblättert und groß an die Wand projiziert werden. Eine runde Sache: einmal zum Einstieg in die Fleckhaus-Ausstellung und einmal zum Abschluss.

Ausstellungseröffnung am 31. Mai 2017 in der Villa Stuck, München.


Tipp

Am Freitag, 21. Juli wird der Kurator Hans-Michael Koetzle mit Wolfgang Jean Stock über die beiden großen Gestalter Otl Aicher vs. Willy Fleckhaus diskutieren. Was hatten die beiden Alpha-Tiere des deutschen Grafikdesign gemeinsam, was hat sie getrennt?

Wenn Sie das Thema und die Ausstellung ebenso begeistern wie mich, sollten Sie auf jeden Fall den sehr informativen und liebevoll gestalteten Ausstellungskatalog erwerben.

Mehr zum Thema finden Sie auch im Fachmagazin Photo International 5/2016. Der Chefredakteur Hans-Eberhard Hess erzählt im Editorial über eine persönliche Begegnung mit Willy Fleckhaus und interviewt im Rahmen eines ausführlichen Berichts den Kurator der Ausstellung Hans-Michael Koetzle.


Ausstellung: Willy Fleckhaus – Design, Revolte, Regenbogen

3. Station: Museum Villa Stuck, München
Kurator: Hans-Michael Koetzle
Direktor: Michael Buhrs
1. Juni bis 10. September 2017
www.villastuck.de

Eine Ausstellung des Museums Villa Stuck in Zusammenarbeit mit dem Museum für Angewandte Kunst Köln und dem Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg; Kurator: Hans-Michael Koetzle

 

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